Propstkreuz als Anker der Hoffnung

Martin Tenge wurde am 1. Advent von Generalvikar Martin Wilk als Pfarrer und Propst der katholischen Pfarrgemeinde St. Aegidien und zugleich Dechant des Dekanates Braunschweig eingeführt.

Während eines feierlichen Vespergottesdienstes hat Generalvikar Martin Wilk Propst Martin Tenge im Auftrag von Bischof Dr. Heiner Wilmer SCJ in sein neues Amt eingeführt. Tenge ist nun zuständig für die rund 57.000 Katholikinnen und Katholiken in und um die Städte Braunschweig, Wolfenbüttel und Peine.

„Was ich immer an dir geschätzt habe, ist, dass du die Menschen mitnimmst, zuhören kannst, andere motivierst und nach guten Lösungen suchst“, lobt Wilk ganz persönlich Tenge. „Auch wenn du zum ersten Mal Pfarrer bist, ist dir die Aufgabe als Pfarrer nicht fremd. Du hast immer wieder längere Pfarrverwaltungen übernommen, und zwar in Situationen, wo es nicht leicht war.“ Außerdem bringe Tenge langjährige Erfahrungen als Propst und Dechant des Regionaldekanates Hannover mit.

„Ich möchte mich einfädeln in die Geschichte dieser Kirche, dieser Stadt, dieses Dekanates, dieser Region, die für mich an vielen Stellen noch fremd und neu ist“, spricht der neue Propst im vollbesetzten Liebfrauenmünster St. Aegidien zu den Mitgliedern seiner neuen Gemeinde, seinen Mitarbeitern, Wegbegleitern, Vertretern der Ökumene und anderen Religionsgemeinschaften, der Stadtgesellschaft, Gremien und Verbänden.      

In die wechselvolle Geschichte der Aegidienkirche als Abteikirche des 1115 geschaffenen Benediktinerklosters hat sich Tenge schon gut eingearbeitet. Auch von ihrer Größe ist Tenge angetan: „Selbst der Dom ist kleiner“, sagt er an Martin Wilk gewandt. Tenge meint den Dom in Hildesheim. Ob der Dom in Braunschweig kleiner oder größer sei, wisse er noch nicht.

Ein besonderer Höhepunkt des Gottesdienstes war die Übergabe des neuen Propstkreuzes an Tenge durch seinen Amtsvorgänger Reinhard Heine, Propst i. R. „Das Kreuz wurde von der Goldschmiedin Susanne Wittig aus Braunschweig gearbeitet, die sich mit dem neuen Propst darüber ausgetauscht und mit künstlerischer Kompetenz umgesetzt hat“, beschreibt der Generalvikar. Ein neues Propstkreuz war nötig, da das alte vor zehn Jahren gestohlen wurde und seitdem als vermisst gilt. Das über 100 Jahre alte Propstkreuz bezog sich auf den Patron der damaligen Propsteikirche St. Nicolai. Diese Kirche wurde 1944 im 2. Weltkrieg vollständig zerstört. Nach dem Krieg wurde die beschädigte – jedoch reparaturfähige – Kirche St. Aegidien der Propsteigemeinde übergeben. Vor fast genau 75 Jahren wurde am 8. Dezember dann in der ehemaligen Klosterkirche St. Aegidien die erste Heilige Messe gefeiert. „Das legt nahe, dass das neue Propstkreuz den Patronen der Kirche dem Heiligen Aegidius und der Gottesmutter Maria gewidmet ist“, so Wilk.

„Dieses Kreuz hat für mich eine tiefe Bedeutung, es ist für mich ein Anker der Hoffnung“, so Tenge, der sich intensiv mit der Legende des Heiligen Aegidius auseinandergesetzt hat. Aegidius soll sich im 7. Jahrhundert bei einer Jagd schützend vor eine Hirschkuh gestellt haben, die ihn mit ihrer Milch ernährte. Dabei sei er von einem Pfeil verletzt worden. „Was mich an dieser Legende ganz besonders berührt hat, war die Aussage, dass diese Wunde in seinem ganzen Leben nie geheilt ist.“ Die Wunde, die nie verheilt, symbolisiert auf dem Propstkreuz als roter Punkt ein Granat. „Er hat es für sich gedeutet als Zeichen der Wunde Jesu und mich hat es berührt, weil ich auf einmal an unsere Kirche gedacht habe. Unsere Kirche ist auch verwundet. Viele merken es im Alltag, Kirche ist völlig out, Kirche hat viel Mist gemacht.“

„Kirche trägt eine Wunde und offensichtlich ist es so, dass auch diese Wunde nicht heil werden kann. Kirche ist nicht nur verwundet, sie ist auch verwundend“, spitzt Tenge zu. Er fragt, wieviele Wunden Kirche bei Menschen hinterlassen habe, die nicht heilen werden, wo weder die Zeit noch nette Worte oder irgendwelche Gesten dies ermöglichten. „Die Wunden gehören irgendwie dazu in der verwundeten und verwundenden Kirche“, resümiert der Geistliche.

Tenge resigniert an dieser Stelle nicht und verharrt nicht in der reinen Betrachtung der Schmerzen, er möchte gestalten und hat Hoffnung: „Die Hoffnung ist manches Mal unscheinbar, aber sie ist da.“ Er misst bei seiner Arbeit dem Sprechen miteinander einen hohen Stellenwert zu und zwar innerkirchlich, in der Ökumene, interreligös und in der gesamten Gesellschaft. „Wenn wir im Gespräch bleiben, gibt es Hoffnung, mit den Wunden umgehen zu können“, ist er überzeugt. Um nicht nur in die Selbstbetrachtung zu kommen, muss der Blick nach vorne gehen. „Wo braucht ihr uns?“, ist die Frage. Hier kommt die Caritas ins Spiel, die Seelsorge und auch das ehrenamtliche Engagement der Gemeinden für Menschen in Not. Ihm persönlich sind außerdem die Spendung der Sakramente und die Segnung von ganz hoher Bedeutung. „Das sind Momente, wo Gottes Gnade den Menschen in ganz entscheiden Lebenssituationen hilft, angefangen bei der Taufe bishin zur Zuversicht `dein Leben wird im Leben enden` bei der Krankensalbung“.

„Sie haben sich gewünscht, nach Braunschweig zu kommen, das freut uns. Wir, die Gemeinde St. Aegidien möchten uns mit Ihnen auf den Weg machen in die Adventszeit und auf den Weg in die Zukunft“, sagt Heike Willner, stellvertretende Vorsitzende des Pastoralrates von St. Aegidien, bei ihren Begrüßungsworten zum neuen Propst. Weitere Vertreter aus evangelischer Kirche, Gremien, Verbänden und Mitarbeitenden begrüßen Propst Martin Tenge herzlich. Dirk Iwasinki vom Dekanatspastoralrat beglückwünscht Tenge zum neuen Amt und freut sich, dass die Vakanz mit drei Monaten relativ kurz war. „Sie sind in einem interessanten Dekanat angekommen, das im Raum Peine, Braunschweig und Wolfenbüttel regional sehr unterschiedlich geprägt ist“, gibt er ihm mit auf den Weg. Gerne wolle man im Dekanatspastoralrat mit ihm gemeinsam Ideen für die Zukunft entwickeln.

„Ich freue mich sehr, dass Sie da sind, lieber Amtsbruder Martin“, so der evangelisch-lutherische Propst Lars-Dedekind. „Ich glaube, dass unsere Stadtgesellschaft gut an einer großen Ökumene tut und diese Ökumene ist größer als unsere beiden Kirchen“, betont er und begrüßt Tenge auch im Namen des Arbeitskreises Christlicher Kirchen.

„Caritas ist eine wichtige Wesensäußerung unserer Kirche, eine Herzenshaltung, die konkrete Hilfe für Menschen in Not heißt“, erläutert Matthias Konrad, Vorstand des Caritas-Verbandes in Braunschweig und freut sich, Tenge auch im Caritasrat der Löwenstadt begrüßen zu dürfen.

Braunschweigs Bürgermeisterin Anke Kaphammel heißt Propst Tenge im Namen der Stadt und des Oberbürgermeisters Thorsten Kornblum willkommen. Sie sieht viele Schnittstellen zwischen Stadt und Kirche - insbesondere im sozialen Bereich.

Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Pfarrei und im Dekanat begrüßen ihren neuen Propst und wünschen ihm einen guten Start. Dabei spricht Pastoralreferent Mathias Welle im Namen der Mitarbeitenden von der Pfarrei und Bettina Wehr von der Katholischen Hochschulgemeinde für die Mitarbeitenden im Dekanat. Sie lobt, dass zur Amtseinführung alle pastoralen Mitarbeitenden mit in die Kirche einziehen durften. Zur Einführung hat sie selbstgebackenes Brot und Salz mitgebracht. „Brot und Salz – Gott erhalt´s ist unser Wunsch für den Propst.“

Musikalisch gestaltet wurde der Gottesdienst vom Münsterchor von St. Aegidien unter Leitung von Lukas Lattau, dem Chor ProDeo aus St. Christophorus unter Leitung von Dirk Speer sowie dem Blechbläserensemble am Braunschweiger Dom unter Leitung von Witold Dulski. Im Anschluss nahmen zahlreiche Gäste die Einladung zur Begegnung im Leisewitzhaus wahr.

pkbs